Bundesarbeitsgericht fällt Grundsatzurteil zu Lohn-Unterschieden

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Lohn-Unterschieden schlägt hohe Wellen. Arbeitsrechtler rechnen mit weitreichenden Konsequenzen – auch für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Konkret dürften viele angestellte Ärztinnen auf eine Gehaltserhöhung hoffen. Wir berichten über die Hintergründe und was Arbeitgeber jetzt beachten sollten.

 

Hintergrund und Grundsatzurteil

Der Gender-Pay-Gap – der prozentuale Unterschied der Löhne von Männern und Frauen bei gleicher Arbeit – wird in Deutschland zwar immer kleiner, Frauen erhalten aber in Deutschland immer noch durchschnittlich einen um 18 % geringeren Stundenlohn als Männer. Es gibt erhebliche regionale und branchenspezifische Unterschiede. Daran hat auch das vorhandene juristische Regelwerk, das Entgelttransparenzgesetz sowie das Gleichbehandlungsgesetz nichts geändert.

Diese Lücke könnte allerdings schon bald Geschichte sein. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Februar 2023 ein bahnbrechendes Urteil gesprochen. Eine Frau hat danach bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit einen Anspruch auf dieselbe Bezahlung wie ein männlicher Kollege, wenn der Arbeitgeber diesem aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der männliche Kollege mehr Geld fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

Das Bundesarbeitsgericht begründet dies vor allem mit den Beweisregeln des Antidiskriminierungsrechts. Danach genügt bereits der Umstand, dass der Arbeitgeber Beschäftigte verschiedenen Geschlechts mit vergleichbarer Tätigkeit unterschiedlich bezahlt, um die Vermutung einer unmittelbaren Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts zu begründen. In diesem Fall hat der Arbeitgeber die Beweispflicht darzulegen, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz gleicher Bezahlung vorliegt, sondern dass andere, objektivierbare geschlechtsneutrale Gründe ursächlich für Gehaltsunterschiede sind.

Bedeutung des Urteils für Arbeitgeber

Laut Entgelttransparenzgesetz müssen Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden auf Nachfrage Auskunft geben, wie sich ihr Gehalt im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern zusammensetzt. Im konkreten Fall hat das beklagte Unternehmen weniger als 200 Mitarbeiter. Wie sich das Urteil auf das Entgelttransparenzgesetz auswirkt, muss abgewartet werden.

Auch wenn die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, sind sich Juristen einig, dass dieses Urteil das Potential hat, die Realität von Gehaltsverhandlungen entscheidend zu beeinflussen. Ebenso ist davon auszugehen, dass weitere Arbeitnehmerinnen jetzt ein höheres Gehalt fordern werden bzw. dann auch ggf. den Klageweg beschreiten, um Schadensersatz zu fordern. Hier sind insbesondere Arbeitgeber betroffen, die ihre Beschäftigten außerhalb der Systematik von Tarifverträgen entlohnen. Hier kann es dazu kommen, dass Arbeitnehmerinnen gerade bei kleineren Betrieben, entsprechende Forderungen nach einer Gehaltserhöhung unter Verweis auf ein Gender-Pay-Gap argumentativ begründen.

Selbstverständlich sind auch in Zukunft individuelle Gehälter möglich. Bei Gehaltsunterschieden ist der Hinweis, dass bei zwei Arbeitnehmern mit einer vergleichbaren Tätigkeit, derjenige mit dem höheren Gehalt, einfach besser verhandelt habe, hinfällig. Eine Gehaltserhöhung muss durch objektivierbare und nachvollziehbare Fakten wie z.B. den Erwerb einer höheren Qualifikation, der Übernahme einer größeren Verantwortung etc. begründbar sein.

Laut Arbeitsrecht verjähren Klagen gegen Arbeitsverträge nach drei Jahren. Es drohen Arbeitgebern also Rückforderungen für drei oder sogar mehr Jahre, da die Frist erst am Ende des Jahres beginnt, an dem der oder die Geschädigte von der Ungleichbehandlung erfährt.

Fazit für die Praxis

Praxisinhaber, die angestellte Ärztinnen und Ärzte beschäftigen, sind also gut beraten, auf dem Hintergrund des aktuellen Urteils das Gehaltsgefüge ihrer Beschäftigten auf Anpassungsbedarf zu überprüfen. Bestehende Gehaltsunterschiede zwischen angestellten Ärztinnen und Ärzten sollten objektivierbar und begründbar sein.

Quellen:

  • Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.203, Entgeltgleichheit von Männern und Frauen Az. 8 AZR 450/21
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