GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – Unsicherheit der Einkommenssituation der Praxen wächst
Alle Bereiche des Gesundheitssystems werden angezapft, um Geld aufzutreiben. Ein Plan für eine nachhaltige Finanzierung der Ausgaben der GKV sieht anders aus. Neben Erhöhungen beim Beitragszahler – also den meisten von uns – sieht der Gesetzentwurf Leistungskürzungen bei Ärzten, Zahnärzten, Apothekern, Krankenhäusern und der Pharmaindustrie vor.
Was niedergelassene Ärzte im Moment bundesweit zu lautstarken Protesten motiviert, ist die vorgesehene Streichung der Neupatientenregelung, die erst 2019 durch das TSVG eingeführt wurde.
Das TSVG und die Incentivierung der Behandlung von Neupatienten war eine Idee des heutigen Bundesgesundheitsministers, der heute behauptet, die Regelung habe leider nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Er wiederholt aber damit nur die Behauptung der Krankenkassen, die die Neupatientenregelung sogar als „Bonus“ bezeichnen, der den Ärzten jetzt wieder gestrichen werde, weil die Leistung nicht erbracht wurde. Aber stimmt das?
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) hat aktuell Zahlen veröffentlicht, die eine andere Datenlage zeigen:
Zeitplan des Gesetzgebungsverfahren
Im Moment liegt der sog. Kabinettsentwurf vor, der parlamentarische Beratungsprozess wird in Kürze gestartet. Jetzt ist es eine Binsenweisheit, dass kein Gesetz den Bundestag verlässt, wie es vorgelegt wurde, aber es darf bezweifelt werden, dass die Ärzteschaft hier ausreichend Unterstützer findet, die Streichung der Neupatientenregelung zu kippen. Der Zeitplan ist wie folgt geplant:
- Referentenentwurf: 30.Juni 2022
- Fachanhörung: 13. Juli 2022
- Verabschiedung Kabinettsentwurf: 27. Juli 2022
- 1. Durchgang Bundesrat: 16. September 2022
- Lesung Bundestag: 22. September 2022
- Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags: 28.09.2022
- 2./3. Lesung Bundestag: 20. Oktober 2022
- 2. Durchgang Bundesrat: 28. Oktober 2022
- Inkrafttreten: geplant zum Januar 2023
Deshalb ist es bemerkenswert, dass sich der Bundesrat positioniert und empfohlen hat, die Versorgung der Patienten durch die Streichung nicht zu gefährden. Er plädiert dafür, die Wirksamkeit der Neupatientenregelung zu evaluieren. Prof. Lauterbach hat sich zuletzt gesprächsbereit gezeigt, aber beharrt bisher auf seiner Ansicht, dass die Regelung nicht den gewünschten Erfolg gebracht und deshalb gestrichen werden können.
Fazit
Die Streichung der Neupatientenregelung sowie eine deutliche Reduktion der Möglichkeit der Versorgung und Abrechnung von Patientinnen im Rahmen der offenen Sprechstunde, wird auf das ärztliche Honorar in Zeiten stark steigender Kosten voll durchschlagen. Die Regelungen des TSVG sind weder Bonus noch Geschenk für die Praxen, sondern eine Maßnahme, mit der die Praxen ihre erbrachten Leistungen nach den vom Bewertungsausschuss für den EBM kalkulierten Preisen wenigstens für einen Teil der Patienten auch vergütet bekommen. Das kann in der gesamten Debatte nicht oft genug betont werden.
Offene Sprechstunde steht ebenfalls zur Disposition
In der ganzen Debatte findet die geplante „Amputation“ der Offenen Sprechstunde dagegen kaum Beachtung. Die offene Sprechstunde ist u.a. für niedergelassene Gynäkologen relevant und sorgt dafür, dass insgesamt 17,5 % der Arztgruppenfälle für Patientinnen ohne Termin extrabudgetär vergütet werden. Hier ist ab Q1 2023 vorgesehen, die offene Sprechstunde dauerhaft und unbefristet zu bereinigen, wenn die Fälle gegenüber der Fallzahl des jeweiligen Vorjahresquartals um mehr als drei Prozentpunkte gesteigert werden. Wenn also die Fachgruppe der Gynäkologen in Q1 2022 im Durchschnitt 5 % der Fälle als offene Sprechstunde markiert hat, dann ist eine Steigerung auf 8 % möglich, die dann auch extrabudgetär vergütet werden. Eine weitere Steigerung auf die gesetzlich vorgesehene Obergrenze von 17,5 % wird bereinigt – also ein Nullsummenspiel. Der Bewertungsausschuss muss dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2024 einen Bericht zur Nutzung der offenen Sprechstunde vorlegen. Dieser will danach entscheiden, ob die Regelung fortgeführt oder die offene Sprechstunde insgesamt beerdigt wird.
Über alle KV-Bereiche kam es von Q4 2019 zu Q4 2021 zu einer Zunahme der Versorgung von Neupatienten um 12 %. Diese Steigerung kann sich trotz der Ausnahmesituation einer Pandemie mit Lockdown sehen lassen!
MGV wird wieder erhöht
Gleichzeitig hat der Bewertungsausschuss den Auftrag bekommen, bis zum 30.11.2022 ein Verfahren zu beschließen, welches die Rückführung der TSVG-Bereinigung aufgrund der Neupatientenregelung in die Morbiditätsorientierte Gesamtvergütung (MGV) sicherstellt. Der budgetierte Teil der Vergütung wird also wieder steigen.
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Fazit
Die Streichung der Neupatientenregelung sowie eine deutliche Reduktion der Möglichkeit der Versorgung und Abrechnung von Patientinnen im Rahmen der offenen Sprechstunde, wird auf das ärztliche Honorar in Zeiten stark steigender Kosten voll durchschlagen. Die Regelungen des TSVG sind weder Bonus noch Geschenk für die Praxen, sondern eine Maßnahme, mit der die Praxen ihre erbrachten Leistungen nach den vom Bewertungsausschuss für den EBM kalkulierten Preisen wenigstens für einen Teil der Patienten auch vergütet bekommen. Das kann in der gesamten Debatte nicht oft genug betont werden.