Poolärzte sind sozialversicherungspflichtig

Der ärztliche Bereitschaftsdienst wird über Notdienstpraxen und niedergelassene Ärzte gewährleitstet. Zusätzlich greift die KV auf sog. Poolärzte zurück, die Dienste übernehmen. So sind in der KV Baden-Württemberg über 3.000 Poolärzte tätig. Hierbei handelt es sich sowohl um Vertragsärzte als auch um Ärzte im Ruhestand sowie Klinikärzte. KVn und Ärztekammern warnen seit langem, dass eine Ausweitung der Sozialversicherungspflicht auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst schwerwiegende Konsequenzen für die ambulante Versorgung nach sich ziehen könnte. Eine entsprechende Initiative des Bundesrats, den Ärztlichen Bereitschaftsdienst über eine gesetzliche Regelung von der Sozialversicherungspflicht freizustellen, wurde vom Bundesarbeitsministerium abgelehnt.

 

Deshalb wurde das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts am 24.10.2023 mit Spannung erwartet. Die Kassler Richter entschieden jetzt, dass die Tätigkeit von Poolärzten im Bereitschaftsdienst unter Umständen der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Oder wie sich das BSG in der Pressemitteilung ausdrückt „Ein Arzt, der als so genannter „Pool-Arzt“ im Notdienst tätig ist, geht nicht deshalb automatisch einer selbstständigen Tätigkeit nach, weil er insoweit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Maßgebend sind vielmehr - wie bei anderen Tätigkeiten auch - die konkreten Umstände des Einzelfalls.“ Aufgrund der Vielzahl von im Detail unterschiedlichen Modellen zur Sicherstellung des Notdienstes könne keine einheitliche, ausnahmslose Aussage über den Sozialversicherungsstatus von sogenannten Poolärzten im Notdienst getroffen werden, unterstrich das Gericht.

Der konkrete Fall

Im zu entscheidenden Fall ging es um einen Zahnarzt, der seine Praxis 2017 verkauft hatte und nicht mehr an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnahm. Im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) wurde er jedoch – überwiegend am Wochenende – zu Notdiensten eingeteilt.

Zahnarzt erhielt festen Stundensatz

Den Notdienst erfüllte der Zahnarzt in Räumlichkeiten eines Notfalldienstzentrums, das von der KZV BW betrieben wurde. Die Räumlichkeiten waren mit Geräten und Materialen ausgestattet.

Außerdem arbeiteten dort neben dem klagenden Zahnarzt zwei zahnmedizinische Fachangestellte, die Assistenz- und Dokumentationstätigkeiten ausführten.

Für die Tätigkeit erhielt der Zahnarzt je nach Schicht zwischen 34 und 50 Euro pro Stunde. Die Deutsche Rentenversicherung hatte für seinen Fall festgestellt, dass für die Einsätze des Zahnarztes keine Versicherungspflicht bestand. Auch die Vorinstanzen hatten die Pflicht verneint.

Kein unternehmerischer Einfluss

Der Zahnarzt blieb jedoch hartnäckig und zog bis vor das Bundessozialgericht. Er habe nicht selbstständig gearbeitet. Anders als einem Vertragszahnarzt würde ihm bereits die Abrechnungsbefugnis fehlen, argumentierte er. Und tatsächlich habe er nur eine feste Stundenvergütung erhalten. Zudem sei nur konkret die Tätigkeit im zahnärztlichen Notfalldienstzentrum genehmigt worden.

Das Bundessozialgericht gab dem Zahnarzt Recht und bejahte die Versicherungspflicht in der vorliegenden Notdiensttätigkeit. Er sei von der KZV in die Abläufe eingegliedert worden. Hierauf habe er „keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss“, begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Er habe sich in die von dritter Seite organisierte Struktur fremdbestimmt einfügt, hieß es weiter aus Kassel. Auch sei der Zahnarzt unabhängig von konkreten Behandlungen stundenweise bezahlt worden.

Was bedeutet das Urteil?

Auch wenn die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, kamen erste Reaktionen der KVn auf das Urteil prompt. In Baden-Württemberg tritt die angekündigte „Notbremse“ in Kraft. Ab sofort werden keine Poolärzte mehr im Bereitschaftsdienst eingesetzt. Vergleichbares zeichnet sich im Saarland ab. Andere KVn wollen erst einmal die Konkrete Urteilsbegründung abwarten, zumal es noch weitere Modelle zur Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes gibt.

Kritiker halten das Urteil und eine mögliche Dienstverpflichtung der Niedergelassenen aber trotzdem für ein verheerendes Signal. Denn eine Bereitschaftsdienstpflicht wird Ärzte nicht gerade ermutigen, sich als Kassenarzt niederzulassen.

Trotz des aktuellen Urteils ist es nicht zu spät, dass der Gesetzgeber tätig wird und Rahmenbedingungen schafft, die es ermöglichen, den KVn einen funktionierenden Notdienst zu organisieren. Aus der FDP wurde aktuell bereits die Forderung nach einer entsprechenden Gesetzesinitiative laut. Wir werden weiter berichten.

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