Lieferengpass-Gesetz - Sind damit die Lieferengpässe bei Arzneimitteln passé?

In den letzten beiden Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg von Lieferengpässen, insbesondere bei Generika. Gynäkologische Praxen haben dies eindrucksvoll am Beispiel des erst gerade beendeten Lieferengpasses für Tamoxifen erlebt.

 

Ursächlich dafür ist, dass aufgrund des zunehmenden Kostendrucks nur noch wenige Anbieter produzieren sowie die Verlagerung der Generika-Produktion nach Indien und China. Daneben verschärften unerwartet steigende Nachfragen, etwa durch die Infektionswelle im Winter 2022/2023, die Versorgungssituation auf dem Arzneimittelmarkt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt auf seiner Website bis zu 500 Lieferengpässe versorgungsrelevanter Wirkstoffe auf.

Aktuell haben deshalb sowohl Praxen als auch Apotheken einen erheblichen kommunikativen und organisatorischen Mehraufwand zu leisten, um die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Die Bundesregierung hat als Konsequenz das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) auf den Weg gebracht, welches in großen Teilen zum 1. August 2023 in Kraft tritt.

 

Wir stellen Ihnen die Eckpunkte des kurz „Lieferengpass-Gesetz“ genannten Gesetzes vor:

  • Neue Ausschreibungsregeln für Antibiotika: Antibiotika mit Wirkstoffproduktion im Europäischen Wirtschaftsraum müssen bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden.
  • Der Preisdruck durch Zuzahlungsbefreiungsregeln wird gesenkt: Statt heute 30 % liegt die Zuzahlungsbefreiungsgrenze künftig bei 20 %. Liegt der Preis mindestens 20 % unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen.
  • Vereinfachung der Austauschregeln für Apotheken: Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apothekerinnen und Apotheker ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für den Austausch sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag von 50 Cent erhalten.
  • Preisinstrumente für versorgungskritische Arzneimittel: Diese können im Fall einer sog. Marktverengung gelockert werden. Gibt es bei wichtigen Arzneimitteln zu wenig Anbieter, können Festbetrag oder Preismoratorium einmalig um 50 Prozent angehoben werden.
  • Verlängerte Lagerhaltung von Arzneimitteln: Pharmaunternehmen wird für rabattierte Arzneimittel eine sechsmonatige Lagerhaltung vorgeschrieben. Dies soll kurzfristigen Lieferengpässen vorbeugen helfen. Auch Klinikapotheken und krankenhausversorgende Apotheken müssen ihre Vorräte bei parenteral anzuwendenden Arzneimitteln und Antibiotika zur intensivmedizinischen Versorgung aufstocken. Wenn bei Krebsarzneimitteln ein Engpass absehbar wird, gilt das auch für Apotheken, die daraus anwendungsfertige Zubereitungen herstellen. Darüber hinaus wird der Großhandel verpflichtet, die Bevorratung mit Kinderarzneimitteln auf vier Wochen zu erhöhen.
  • Neureglung bei Kinderarzneimitteln: Für Kinderarzneimittel werden Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft. Pharmaunternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrags beziehungsweise Preismoratorium-Preises anheben. Festbetragsgruppen mit Kinderarzneimitteln dürfen nicht mehr gebildet werden.
  • Das BfArM erhält zusätzliche Informationsrechte gegenüber Herstellern und Krankenhausapotheken. Zudem wird ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen eingerichtet.
  • Regeln zur Preisbildung werden so angepasst, dass der Anreiz für Forschung und Entwicklung neuer Reserveantibiotika für Unternehmen verstärkt wird.

 

Wichtig ist, dass mit dem Gesetz auch die Regeln zu den Austauschmöglichkeiten in der Apotheke noch einmal angepasst wurden:

  • Bisher konnte die Apotheke ein nicht vorrätiges Arzneimittel gegen ein wirkstoffgleiches austauschen. Jetzt muss eine „Nichtverfügbarkeit“ vorliegen.
  • Der bislang nach Arztrücksprache noch mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel, wenn ein wirkstoffgleiches nicht zu haben ist, entfällt.

Für die Apotheken sieht das Gesetz umfangreiche Erleichterungen durch den Wegfall von Retaxations-Möglichkeiten durch die Krankenkassen vor. Die KBV konnte sich hingegen nicht mit ihrer Forderung einer gesetzlichen Regelung durchsetzen, dass die Mehrkosten bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht berücksichtigt werden, wenn Ärzte im Falle eines Lieferengpasses ein teureres Arzneimittel verordnen.

Für die Praxis

Leider fokussiert das Gesetz sehr stark auf pädiatrische Arzneimittel, Onkologika und Antibiotika. Lieferengpässe treten aber bei einer Vielzahl von Wirkstoffklassen auf. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz mit seinen Maßnahmen tatsächlich die vom BMG erwartete Entspannung bei den Lieferengpässen bewirkt oder ob weitere Schritte notwendig werden.

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