Update Digitalgesetze – Bedeutung für die gynäkologische Praxis
Digitalgesetz
- Das Herzstück des Gesetzes ist die elektronische Patientenakte (ePA), die künftig per Opt-out-Verfahren zur Verfügung stehen soll. Ab Januar 2025 sollen gesetzlich Krankenversicherte automatisch eine ePA erhalten. Wer diese nicht nutzen möchte, muss ausdrücklich widersprechen. Die derzeit im EBM vorgesehene Vergütung der ärztlichen Beratungsleistungen zur Nutzung der ePA sowie der Erstbefüllung mit medizinischen Dokumenten aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) soll unverändert einmalig zehn Euro betragen. Die Befüllung soll aus dem PVS weitestgehend automatisiert erfolgen und nur sehr wenig „Arztzeit“ beanspruchen.
- In einem ersten Schritt soll in der ePA der elektronische Medikationsplan, dann die auf der eGK gespeicherten Notfalldaten der Patientin und die Labordaten erfasst werden.
- Patientinnen sollen Leserechte für Dritte selektiv einschränken können. Bei einer HIV-Infektion, Schwangerschaftsabbrüchen oder einer psychischen Erkrankung der Patientin müssen Ärzte Patientinnen darauf hinweisen, dass sie der Dokumentation in der ePA widersprechen können. Der Widerspruch muss nachvollziehbar in der Patientenakte dokumentiert werden.
- Versicherte sollen zudem einen Anspruch auf die Digitalisierung alter Patientenakten durch ihre Krankenkasse erhalten. Sie können über zwei Jahre insgesamt zwei Mal bis zu zehn Dokumente von ihrer Krankenkasse in die ePA einpflegen lassen.
- Apotheken sollen Leistungen der assistierten Telemedizin anbieten können. Der Gesetzentwurf sieht Beratungsleistungen zu den Optionen einer telemedizinischen Versorgung oder der konkreten Unterstützung bei der Nutzung telemedizinischer Leistungen sowie auch die „Durchführung einfacher medizinischer Routineaufgaben“ vor.
- Die bisherige Begrenzung der Videosprechstunden auf maximal 30 % der ärztlichen Leistungen wird neu bewertet. Der Bewertungsausschuss wird beauftragt die Kriterien neu festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Leistungen im Rahmen einer Videosprechstunde erbracht werden können. Grundsätzlich ist aber intendiert, die Möglichkeiten zur Erbringung von Videosprechstunden zu erweitern. Zusätzlich soll der Bewertungsausschuss die Vergütung an Qualitätskriterien koppeln, um einer reinen Mengenausweitung entgegenzuwirken.
- In der Ärzte-Zulassungsverordnung wird künftig geregelt, dass Videosprechstunden auch außerhalb der Praxisräumlichkeiten erbracht werden können. Diese Videosprechstunden sind aber auf Zeiten außerhalb der regulären Mindestsprechstundenzeiten bzw. der offenen Sprechstunden beschränkt.
- Das eRezept soll 2024 flächendeckend eingeführt werden. Praxen, die dazu technisch nicht in der Lage sind, soll ab Q2 2024 das Honorar pauschal um 1 % gekürzt werden. Dies erfolgt solange, bis der Nachweis über die technische Funktionsfähigkeit gegenüber der KV erbracht wurde.
Gesundheitsdatennutzungsgesetz
- Kranken- und Pflegekassen sollen mehr Rechte bekommen, personenbezogene Daten ihrer Versicherten auszuwerten. Der Entwurf sieht vor, dass ohne explizite Einwilligung des Versicherten Kassen dann Daten auswerten dürfen, wenn sie z.B. der Erkennung von seltenen Erkrankungen, Krebserkrankungen oder der Identifikation von Risiken durch die medikamentöse Therapie die Arzneimitteltherapie ermöglichen. Auch eine „Impfindikation“ kann einen solchen Hinweis an die Versicherten begründen. Wenn eine Versicherte dies ablehnt, muss sie aktiv widersprechen. Die Versicherten sind rechtzeitig, mindestens vier Wochen vor Beginn der Datenverarbeitung, von den Kranken- und Pflegekassen über die Datenverarbeitung und die Möglichkeit des Widerspruchs als auch die Auskunftspflicht zu informieren.
- Wenn eine Kasse eine konkrete Gesundheitsgefährdung identifiziert, muss die Versicherte umgehend darauf hingewiesen werden. Der Hinweis ist mit einer Empfehlung zu verbinden, eine ärztliche, zahnärztliche, psychotherapeutische oder pflegerische Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Empfehlung ist zu begründen. Ein Eingriff in die ärztliche Therapiefreiheit ist unzulässig.
- Darüber hinaus sollen Abrechnungsdaten der Praxen zeitnah, d.h. bereits vor einer Bereinigung im Zuge von Abrechnungsprüfungen an die Kassen übermittelt werden.
- Mit dem Aufbau einer nationalen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sollen mehr Gesundheitsdaten für die Forschung zugänglich gemacht werden.
Fazit
Auch wenn davon auszugehen ist, dass im Rahmen des parlamentarischen Beratungsprozesses beide Gesetzentwürfe noch einige Änderungen erfahren werden, ist die Marschrichtung des BMG klar erkennbar: Telemedizin (mit Unterstützung von Apotheken), ePA und eRezept.
Bemerkenswert ist, dass die Kranken- und Pflegekassen erstmals die Möglichkeit bekommen, die Patienten, ohne ihre Zustimmung, über einen Verdacht einer eventuell vorliegenden schweren Erkrankung hinzuweisen. Ob die Ziffern des EBM dafür eine geeignete Datengrundlage darstellen, kann sicher bezweifelt werden. Wie sich auf dieser Basis ein so schwerwiegender Eingriff in die Arzt-Patientenbeziehung rechtfertigen lässt, wird sicher noch heftige Diskussionen nach sich ziehen.